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Kreislauffähiges Bauen

Was?

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert. In der Praxis bedeutet dies, dass Abfälle auf ein Minimum reduziert werden. Nachdem ein Produkt das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, verbleiben die Ressourcen und Materialien so weit wie möglich in der Wirtschaft. Sie werden also immer wieder produktiv weiterverwendet, um weiterhin Wertschöpfung zu generieren. Die Kreislaufwirtschaft steht im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell („Wegwerfwirtschaft“). „Geplante Obsoleszenz“ ist ein weiteres Merkmal. Das Europäische Parlament fordert Maßnahmen dagegen1 .

Es sollen Produkte angeboten werden, die möglichst lange genutzt werden und nicht als Abfall enden, sondern in einem zirkulären Kreislauf wiederverwendet werden können. Es gibt zwei wesentliche Kreisläufe, zum einen den technischen für Produkte, die immerwährend durch Wiederverwendung, Reparatur, Aufarbeitung und Recycling im Kreislauf geführt werden und zum anderen den biologischen Kreislauf, in dem die Nährstoffe von biologisch abbaubaren Stoffen in den Kreislauf zurückgeführt werden

Warum?

Das Ziel der zirkulären Wirtschaft oder Kreislaufwirtschaft ist die Berücksichtigung der regenerativen Kapazitäten unseres Planeten, Aspekte des menschlichen Wohlbefindens und ein im Kreislauf geführter Ressourcenstrom. Dadurch kann eine Wertschöpfung und die Vermeidung von nicht wiederverwendbaren Reststoffen erreicht werden.

Wie?

Um dieses Ziel im Bausektor zu erreichen, sollen Neubauten nach den Kriterien des kreislaufgerechten Bauens geplant und ausgeführt werden. Zudem ist der Erhalt des Bestandes oder die Nutzung dessen als Material- und Bauteillager ein relevanter Aspekt. Der verursachte Ressourcenverbrauch und die Abfallmengen, die durch die Bauweise der letzten Jahrzehnte entstanden sind, machen deutlich, dass kreislaufgerechtes Bauen dazu führt, die entstehenden negativen Umweltauswirkungen (Umweltimpakt) im Bausektor zu minimieren.

Kriterien des kreislaufgerechten Bauens

Kreislaufgerecht Bauen bedeutet, Gebäude und Bauwerke langfristig zu nutzen, die Materialressourcen zu erhalten und die Gebäude und Bauwerke als Rohstofflager (Urban mining) zu betrachten. Dazu ist es erforderlich, folgende relevante Kriterien, die die Planungs- und die Ausführungsphase des Projektes betreffen, umzusetzen:

  • Flächeneffizienz und Ressourcenschutz (Grundstück und Bauwerke)
  • Umnutzungsfähigkeit und Flexibilität (Bauweise, Tragstruktur etc.)
  • Materialauswahl: nachhaltig, langlebig, lokal, schadstofffrei, recyclingfähig
  • Verlängerung der Nutzungsdauer durch Beachtung der Lebensdauer von Bauteilen und Baustoffen (Reparierbarkeit und Austauschmöglichkeiten)
  • Dekonstruierbarkeit, Demontierbarkeit und Nutzung des Wiederverwendungs- und Recyclingpotentials durch optimierte Konstruktion von Bauelementen, Bauteilen sowie Baumaterialien
  • Dokumentation und Erhalt der Materialinformationen über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes (Material- und Gebäuderessourcenpass, BIM, Konzept „UrbanMining“2 ).

Um eine Ressourcenschonung und damit die Reduzierung von Umweltauswirkungen zu erreichen gibt es vor allem bei der Materialauswahl eine Vielzahl an Möglichkeiten:

  • Einsatz besonders ressourcenschonend hergestellter Materialien 
  • Einsatz von recycelten Materialien oder solchen mit einem Recyclinganteil
  • Einsatz von Baustoffen mit langer Nutzungsdauer
  • Einsatz von Baustoffen mit hohem Wert nach der Nutzungsphase
  • Rückführung bereits verwendeter Baustoffe in den Materialkreislauf
  • Rückführung von Baustellenabfällen in den Materialkreislauf (herstellereigene Rücknahmesysteme)
  • Nutzung von Dienstleistungen anstelle von Produkten (z.B. Licht).
Zirkuläre Ansätze in der Ökobilanzierung 

Bei einer objektbezogenen Ökobilanzierung kann der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes betrachtet werden, von der Produktphase bis zum Lebensende (Umweltimpakt). Gerade im Hinblick auf das kreislaufgerechte Bauen spielt die darüberhinausgehende Untersuchung des Wiederverwendungs- und Recyclingpotentials der verwendeten Baumaterialien durch das sogenannte „Modul D“ zukünftig eine immer wichtigere Rolle. Doch auch während des gesamten Lebenszyklus kann das 4R-Konzept der Kreislaufwirtschaft (Was ist kreislauffähiges Bauen) angewendet werden. In den ersten Lebenszyklusphasen geht es um den reduzierten und effizienten Einsatz der Baumaterialien (reduce). Während der Nutzungsphase des Gebäudes werden die Möglichkeiten der Reparierbarkeit untersucht (repair). Am Ende des Lebenszyklus stehen die Wiederverwendung (reuse und recycle) im Fokus der Betrachtung. Somit bietet vor allem das Modul D im Rahmen einer Ökobilanzierung (Umweltimpakt) eine gute Möglichkeit der Bewertung der Kreislauffähigkeit von Baumaterialien.

Bei der Gebäudeökobilanz ist die Systemgrenze meist der Einbau der Materialien im Gebäude. Die Betrachtung einer potentiellen Wiedernutzung oder eines Recyclings mit Hilfe des Moduls D ist nicht erlaubt. Auch ist die aktuell zur Verfügung stehende Datengrundlage oft nicht ausreichend um das zukünftige Potential der Kreislauffähigkeit eines gesamten Gebäudes zu analysieren. Aus diesem Grund werden neue Tools zur Erstellung von Material- oder Gebäuderessourcenpässen entwickelt, z.B. durch Madaster oder die DGNB. Eine Messbarkeit und Quantifizierung soll dadurch erleichtert werden. Zudem soll diese digitale Dokumentation der Bauwerke und deren Bewertung z.B. durch Indikatoren wie den Demontierbarkeits- oder Zirkularitätsindikator (System Madaster) verhindern, dass, wie meist üblich, bestehende Gebäude einfach abgerissen werden. Die beim Rückbau ausgebauten Materialien sind oft nicht sortenrein trennbar und damit nicht wiederverwendbar. Es erfolgt meist ein Downcycling, eine thermische Verwertung oder Deponierung. 

Initiativen und Stand der Dinge in Luxemburg

In Zukunft soll das Konzept des „Urban Mining“ angewendet werden. So wird eine Herangehensweise bezeichnet, bei der eine Stadt in Analogie an ein Bergwerk als eine Fundgrube von wertvollen und wiederverwertbaren Materialien betrachtet wird, also als eine Art städtisches Material-Bergwerk.

Ein Gebäuderessourcenpass soll die notwendigen Informationen über die Kreislauffähigkeit, Nachhaltigkeit und den finanziellen Wert der Materialien zur Verfügung stellen. Ziel ist es, die eingebauten Ressourcen für ein „Urban Mining“, eine Sanierung oder einen späteren Rückbau bestmöglich zu nutzen. Frühe und späte Lebenszyklusphasen (Produktdesign und Produktrecycling) sollen optimal miteinander verbunden und koordiniert werden können. Dafür ist die vollständige Transparenz über die verbauten Materialien und Komponenten, ihre Werte und Besitzverhältnisse erforderlich. Die notwendigen Informationen liefern die Planer z.B. durch digitalisierte Gebäudedaten, Lebenszyklus- und Lebenszykluskostenanalysen und die ausführenden Firmen z.B. über technische Datenblätter, Umweltproduktdeklarationen (EPD) oder „Product Circularity Data Sheets“ (PCDS).

In Luxemburg soll ab dem 01.01.2025 ein Materialpass für jedes Gebäude ab einem Bauvolumen von 3.500 m3 verpflichtend erstellt werden. Dies ist in Art. 23 des Gesetzes vom 10. Juni 2022 zur Anpassung des Abfallgesetzes festgehalten.

Dieser Materialpass umfasst alle Informationen, die für den späteren Rückbau und die zukünftige Wiederverwendung und Wiederverwertung oder das Recycling eines Bauproduktes relevant sind wie z.B. wo und wie die Produkte und Materialien im Gebäude verbaut wurden.

Rückbaukonzept und Materialinventar
In Luxemburg muss jedoch schon laut Gesetz vom 21. März 2012 zur Abfallwirtschaft bei einem Abriss bestehender Gebäude ein Materialinventar der anfallenden Baumaterialien erstellt und auf Anfrage der Umweltverwaltung vorgelegt werden. Das Dokument des Materialinventars kann als Planungsinstrument zum Ressourcenmanagement genutzt werden und dient der folgenden Vorgehensweise beim Rückbau:

  • Planung, Durchführung und Dokumentation der Rückbauarbeiten
  • Erfassung und Auswertung objektbezogener Informationen, Mengenabschätzung und Materialqualität
  • Schadstofferkundung, Trennen von schadstoffbelasteten und unbelasteten Materialien
  • Erkennen der Wiederverwendungs- und Wiederverwertungsmöglichkeiten. 

Der Gebäuderückbau hat eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Circular Economy hinsichtlich der Wiederverwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten. Die Erstellung eines Rückbaukonzeptes inkl. des Inventars vor dem Rückbau ermöglicht es, dieses Potential zu erkennen und auf eine sortenreine Trennung der anfallenden Materialien hinzuarbeiten. Im Hinblick auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz sind vor allem verunreinigte und mit Schadstoffen belastete Fraktionen von unbelasteten zu trennen und nach abfallrechtlichen Vorgaben zu entsorgen. 
Die Dokumente zum Gebäuderückbau können unter folgenden Links aufgerufen werden:

Eine weitere Initiative in Luxemburg zur Umsetzung der Circular Economy ist die Erstellung der „Product Circularity Data Scheet“ (PCDS). Diese Initiative des Wirtschaftsministeriums soll es möglich machen, Zugang zu verlässlichen Daten über die Kreislauffähigkeit von Produkten zu erhalten. Es haben sich ca. 50 Unternehmen zusammengetan, um ein System aus Datenvorlage, Auditierung und Datenaustauschprotokoll einzurichten. Das System wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen und die Datenaustauschplattform befindet sich aktuell noch im Aufbau.

 

Verwandte Ressourcen
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Literatur
EN

The Circular Economy - a Powerful Force for Climate Mitigation (2018)

Report investigating how a more circular economy can contribute to cutting CO2 emissions. It explores a broad range of opportunities for the four largest materials in terms of emissions (steel, plastics, aluminium, and cement) and two large use segments for these materials (passenger cars and buildings).

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Feuille de Route "Construction Bas Carbone" - Luxembourg

Projektbeschreibung zu Luxemburgs Zielen der Dekarbonisierung des Bausektors.

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Weiterbildung
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Circular Innovation Hub

Berufsorientierte Schulungen und Workshops zum Thema "Kreislaufwirtschaft"

Verfasst: 11. Juli 2023 Zuletzt geändert: 16. Juli 2024

Beispielprojekte
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Petite Maison (LU)

Gesunde Baumaterialien, Umweltimpakt, Dekonstruktion
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Parking Automobility Campus in Bissen (LU)

Umweltimpakt, Kreislaufwirtschaft

Das Looppark-Projekt, gelegen in Bissen im “Campus Automotive”, verkörpert eine neue Ära im nachhaltigen und zirkulären Bauen und bietet ein Modell für Flexibilität und architektonische...

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